Drittes Kapitel - Das Orm

Schreiben ist natürlich, wie ich im ersten Kapitel bereits versucht habe deutlich zu machen, ein langer und komplexer Prozess. Es dauert verschieden lang bis ein Autor zu lieben lernt. Von "boah, was'n das für ein Mist" über "Haargh, aber lesbar" zu "Hey, das ist doch schon ganz gut" ist es ein langer Weg. Kleiner Tipp also nochmal: macht euch nicht verrückt. Und Übung macht den Meister.

Worauf ich aber eigentlich hinaus will, ist die Begabung zum Schreiben. Manche tragen sie in sich und wissen nichts davon, andere schreiben viel, aber es kommt selten dabei etwas wirklich Besonderes dabei heraus. Tatsache ist allerdings, dass man eine gute Geschichte fühlen muss. Sie muss sich in deiner Brust anstauen, überlaufen und über deine Schreibhand auf das Blatt fließen. Und genau darin liegt die Schwierigkeit. Wenn ein solcher Rausch sich anbahnt, darf man ihn nicht mit Gewalt unterdrücken oder rauspressen, denn dass für nur zu Unzufriedenheit. Während ich das hier schreibe habe ich eine solchen Rausch, den ich als Orm-Rausch definiere. Das Orm stammt nicht von mir, sondern entspringt den Büchern von Walter Moers (vgl. das Labyrinth der träumenden Bücher). Es handelt sich dabei um  eine astrale Macht, die die Literatur in sich trägt, und nur wer das Orm fühlt, kann wahrhaft Brillantes erschaffen. Ich will mich hier nicht aufplustern und behaupten, dass ich das Orm besäße, aber ich finde den Gedanken schön, dass Kunst etwas Überirdisches ist und nicht nur auf bestimmte Personen fixiert wird. Der Mensch oder ein sonstiges intelligentes Wesen ist höchstens das Medium. Wenn man diesen Rausch kontrollieren kann, ist er eine unerschöpfliche Kraft und Inspiration, aber wie gesagt, man muss lernen ihn zu kontrollieren. 

Man kann sich das Orm wie einen Luftballon vorstellen: Langsam entspringt eine Idee in deinem Herz und diese wächst immer weiter. Irgendwann ist Ballon so voll, dass er platzen wird, wenn er nicht geleert wird. Wenn er platzt ist deine Idee futsch und nicht mehr rettbar.  Ziel ist es nun den Ballon möglichst sanft zu leeren, damit deine Geschichte die bestmögliche Länge und Tiefe erhält. Dabei muss sie nicht unendlich lang sein, es kommt auf den Ausdruck an. Manchmal ist Weniger Mehr.

Fühle diesen Luftballon und lasse die Worte einzelnd durch deinen Arm wandern und aufs Blatt fallen. Wenn du kurz pausieren muss, ist das völlig ok, solange der Ballon nicht platzt. Während du schreibst, wirst du spüren, wie der Ballon immer kleiner und sanfter wird. Achtung verfalle jetzt nicht in Panik, denn dann lässt du den Rest Luft zu schnell aus dem Ballon und es entsteht Murks. Lass ihn sich langsam leeren und auch wenn du Angst hast das deine Story kein Ende bekommt, siehe es entspannt. Wenn die Luft raus ist, ist sie eben raus. Die Geschichte wird, dann durch eine anderen Orm Rausch beendet, den du erzeugen kannst, wenn du deine Geschichte noch mal durchliest, aber davon später mehr. Genieße deinen Orm Rausch so weit wie möglich und ängstige dich nicht vor ihm. Hier noch mal grob die wichtigsten Orm-Rausch-Regeln

 

  1. Genieße den Rausch in vollen Zügen
  2. Dränge den Rausch nicht herbei
  3. Unterdrücke den Rausch nicht 
  4. Wenn er in einem unpassenden Moment erscheint, dann visualisiere die Idee, um sie zu fixieren > nur im Notfall
  5. Spüre das Orm im ganzen Körper und lass es fließen
  6. Lies deine Geschichte erst, wenn der Rausch abgeklungen ist, sonst kann es dich verwirren und den Rausch bremsen und ertränken
  7. Die Müdigkeit danach ist normal, wie nach jeder schönen Arbeit, also ruhe dich ein wenig aus

Wichtig: Das Orm ist kein Wasserhahn, den man auf und zu drehen kann. Es kommt von ganz alleine. 

Alle was im ersten Kapitel steht, ist eine Übung für diesen Rausch, denn du kannst ihn beeinflussen, in dem du eine bestimmten Schreibstil benutzt, den du durchs Üben entdeckt hast. Manchmal kommt bereits bei diesen Übungen kleinere Kunstwerke heraus, das prä-Orm, eine Art Vorstufe. Genauso gut könnte deine Übungen auch einen Ormrausch auslösen, so wie so ziemlich jedes andere, was sich als banal erweist. Hab nur keinen Angst vor  dem Versagen während des Orms. Wenn es kommt, dann denkst du nicht mehr viel nach und lässt es einfach fließen. 

So mein Rausch neigt sich dem Ende zu, also werde ich das Kapitel hier beenden. Möge das Orm immer mit euch sein :)

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